(20. Juni 2018; aktualisiert 12. Okt. 2023)
Als Solarisation wird das Phänomen bezeichnet, dass bei starker Überbelichtung die Schwärzung von fotografischem Filmmaterial wieder abnimmt, d.h. eigentlich sehr helle Motiv-Partien werden (im Positiv) dunkel bis ganz schwarz. Da bei Landschaftsaufnahmen mit Sonne diese das hellste Objekt ist, ergibt dies ggf. ein Positiv mit schwarzer Sonne (daher wohl auch die Bezeichnung „Solarisation“).
Bekannte Beispiele sind u.A. „The Black Sun, Tungsten Hills, Owens Valley, California 1939“ von Ansel Adams oder die Serie „1h“ von Hans-Christian Schink.
Der Sabattier-Effekt, auch Pseudo-Solarisation genannt, entsteht in der (fotografischen) Dunkelkammer. Dabei wird das Bild (Fotopapier) zunächst anentwickelt, dann für eine bestimmte Zeit das normale diffuse Licht eingeschaltet (das Papier bleibt im Entwicklerbad) und dann das Bild fertig entwickelt; dabei sollte es möglichst nicht bewegt werden. Dadurch werden helle Bildbereiche ähnlich dem Negativ, also dunkel, dunkle Bereiche bleiben dunkel oder werden noch dunkler, bleiben also positiv; es findet aber (wenn das diffuse Licht nicht zu lange leuchtet) keine vollständige Schwärzung des Fotopapiers statt. An Stellen starker Hell-Dunkel-Übergänge im ursprünglichen Bild bleiben helle Ränder.
Der Effekt ist in seiner Wirkung stark beeinflussbar: veränderbare Parameter sind neben der Dauer der normalen Belichtung des Fotopapiers die Zeit vom Beginn der Entwicklung bis zum Einschalten des Lichts und die Dauer der diffusen Nachbelichtung (und natürlich die Gradation des Fotopapiers). Das Ergebnis bleibt dennoch innerhalb weiter Grenzen vom Zufall abhängig und ist praktisch nicht exakt reproduzierbar.
Beide Effekte sind nur in der Analogfotografie zu erzielen.
Gradation des Fotopapiers: (Schwarz-Weiß)-Fotopapiere sind in verschiedenen Gradationsvarianten von weich bis hart erhältlich (die genauen Bezeichnungen sind herstellerabhängig). Weiche Papiere liefern wenig kontrastreiche Bilder, aber mit vielen Grautönen, harte Papiere kontrastreiche Bilder mit wenig Graustufen.
Alle Fotos: © Thomas Dürst 2020
Die beiden nachfolgenden Bildbeispiele sind eingescannte Abzüge aus der Dunkelkammer, also Fotos mit echtem Sabattier-Effekt.
Reihenhauszeile, wolkenloser Himmel; etwa 1980er Jahre |
Brücke, Himmel stark bewölkt; 1978 |
Eine dem Sabattier-Effekt ähnliche Bildwirkung lässt sich auch mit Digitalfotos erreichen, indem bei der Bildbearbeitung die Gradationskurve so verformt wird, dass sie etwa einer nach unten geöffneten Parabel ähnelt.
Ausgangsbild: Gradationskurve linear, Bild entspricht einem Positiv in der Analogfotografie. |
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Gradationskurve etwa parabelförmig, nach unten offen. Dadurch werden die oberhalb des mittleren Tonwerts liegenden Bereiche dunkler bis schwarz und damit ähnlich einem Negativ aus der Analogfotografie. Die Mitteltöne werden bis zu weiß aufgehellt. Die dunklen Partien bleiben positiv. Allerdings wird ihr Kontrast stark erhöht; dadurch werden sie um so heller, je näher sie im mittleren Bereich liegen. Dies ist beim Sabattier-Effekt nicht der Fall: dunkle Bereiche bleiben auch positiv, werden aber nicht aufgehellt (sie werden eher noch dunkler). |
Gradationskurve etwa parabelförmig, nach oben offen. Das Ergebnis ist sozusagen ein negativer (Pseudo-)Sabattier-Effekt: Die Veränderung gegenüber dem Ursprungsbild ist genau umgekehrt wie links beschrieben. |
Durch eine weitere Verformung der Gradationskurve lässt sich eine dem analog-fotografischen Sabattier-Effekt viel ähnlichere Wirkung erzielen: Die Mitteltöne sind im Beispiel deutlich weniger aufgehellt, die dunklen Bereiche noch dunkler als im „normalen“ Bild. |
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Die Möglichkeiten der Beeinflussung sind praktisch unendlich zahlreich; ein dem analogen Sabattier-Effekt genau entsprechendes Ergebnis lässt sich dennoch nicht erzielen: Durch die Änderungen an der Gradationskurve werden im digitalen Bild alle Bildpunkte einer Helligkeitsstufe in gleichem Umfang verändert (heller oder dunkler). Beim Sabattier-Effekt sind die Änderungen nicht gleichmäßig: Helle Bildbereiche an Hell-Dunkel-Grenzen werden durch die diffuse Nachbelichtung weniger beeinflusst (abgedunkelt) als weiter entfernte. |
Die Bildbeeinflussung durch Verbiegen der Gradationskurve ist natürlich nicht auf parabel-ähnliche Kurvenformen beschränkt (Gradationskurve mit einem Scheitelpunkt). So lassen sich Kurven mit zwei oder mehr Scheitelpunkten bilden und dann weiter variieren, Kurven mit Wellencharakter und so weiter. Auch ist die Methode nicht nur auf Schwarz-Weiß-Bilder anwendbar, auch wenn sich bei letzteren meist interessantere Ergebnisse erzielen lassen.
Bei Farbbildern ergeben sich nicht nur veränderte Helligkeitsstufen, sondern auch stark veränderte Farben: Teilweise werden sie in die Komplementärfarben überführt, oft sind sie stark gesättigt.
Einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis hat auch die Bildbearbeitung hinsichtlich anderer Parameter wie Farbtemperatur, Belichtung, Tonwerte, ...
Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt — jedoch ergibt sich nicht immer ein ansprechendes Bild (bei den meisten Parameterkombinationen eher nicht ...). Hier führt nur Ausprobieren zum Ziel.
Detail einer Fassade Bildbearbeitung: Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten |
Spree, Moabiter Brücke, Geschäftszentrum Spree Bogen; Berlin Bildbearbeitung: Schwarz-Weiß-Umsetzung, Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten, variiert, Tonung |
Oper, Wien Bildbearbeitung: Schwarz-Weiß-Umsetzung, Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten |
Platane im Winter Bildbearbeitung: Gradationskurve parabelförmig, nach unten offen |
Berlin Alexanderplatz Bildbearbeitung: Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten, variiert |
Industrieanlage Bildbearbeitung: Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten |
Am Fluss Bildbearbeitung: Schwarz-Weiß-Umsetzung, Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten |
Bäume im Winter Bildbearbeitung: Zwei Versionen des Bildes überlagert und miteinander verrechnet (Verrechnungsmodus: Dividieren): Version 1: mit Korneffekt; Version 2: Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten |
Balkone Bildbearbeitung: Gradationskurve mit zwei Scheitelpunkten |
Treppe am Gasteig, München Bildbearbeitung: Schwarz-Weiß-Umsetzung, Gradationskurve parabelförmig, nach oben offen, variiert |